Interview: Wir sollten uns mehr zutrauen

Veröffentlicht am 16.12.2015 in Bundespolitik

Andreas Reißig im Gespräch mit Karl-Heinz Meier-Braun

Der Journalist und Autor Karl-Heinz Meier-Braun ist langjähriger Migrationsexperte aus Baden-Württemberg. Vorwärts EXTRA sprach mit ihm über Chancen und Herausforderungen in Anbetracht der neuen Flüchtlingsströme.

Herr Meier-Braun, in ihrem neuen Buch greifen sie viele Fragen und Kontroversen zum Thema „Einwanderung und Asyl“ auf. Warum gibt es gerade jetzt so viele Asylbewerber?

Die Fluchtursachen haben in letzter Zeit stark zugenommen. Bürgerkriege, Menschenrechtsverletzungen, gerade auch in Syrien. Viele Menschen leben seit vier Jahren in Flüchtlingscamps – nun wurden ihnen noch die Lebensmittelrationen gekürzt. Man braucht sich nicht zu wundern, dass sie sich auf den Weg machen.

Werden Ausmaß und Geschwindigkeit des Flüchtlingsstroms wieder nachlassen?

Wir müssen uns dauerhaft auf hohe Flüchtlingszahlen einstellen und die Politik sollte hier reinen Wein einschenken. Schon 1993 gab es starke Verschärfungen in der Asylpolitik und nun hat sich gezeigt – das hat nichts genützt. Auf der anderen Seite: Wir brauchen diese Arbeitskräfte in Deutschland. Daher benötigen wir auch ein neues Einwanderungsgesetz. Das alte aus dem Jahr 2005 ist stark veraltet und kompliziert. Sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für die Flüchtlinge brauchen wir dringend eine einfache, klare gesetzliche Regelung.

Heißt das dann, die Flüchtlingszahlen würden gedeckelt?

Die Frage der Obergrenze ist äußerst schwierig – sie wird oft zitiert, aber selten erläutert oder gar definiert. Denn jeder, der an die Grenze kommt, hat nach der Genfer Flüchtlingskonvention Anspruch auf Asyl. Wir können nicht ab einer bestimmten Zahl Leute abweisen. Dann würden internationale Verträge verletzt.

Das Engagement für und die Solidarität mit Flüchtlingen ist nach wie vor hoch, andererseits werden auch in Baden-Württemberg Flüchtlingsunterkünfte immer wieder Ziel von Brandanschlägen. Driftet die Gesellschaft auseinander?

Wir sind an einem sehr kritischen Punkt angelangt, keine Frage. Die Gefahr, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet, ist gegeben. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Im Gegenteil: Wir müssen Ausländerfeindlichkeit bekämpfen. Sie darf in einem Einwanderungsland wie Deutschland keine Normalität werden. Auch Pegida ist nicht ungefährlich und stark zu hinterfragen. In Dresden sind zum Beispiel 75 Prozent der Bevölkerung konfessionslos, verteidigen aber unser christliches Abendland – das passt nicht zusammen.

Ein Ansatzpunkt der SPD lautet, Einheimische nicht gegen neu Hinzukommende auszuspielen, den sozialen Zusammenhalt zu wahren. Wie schafft man das?

Das ist mit Sicherheit die größte Herausforderung für die nächsten Jahre. Integration geschieht über Bildung, Sprache und Arbeit. Wir fangen hier allerdings nicht bei null an, sondern sind integrationserprobt, siehe Heimatvertriebene, Gastarbeiter und Russlanddeutsche. Wir sollten uns hier mehr zutrauen, als es momentan verlautet wird.

Viel diskutiert wird ja auch über den Familiennachzug – so auch auf dem CDU-Parteitag in Rust vor zwei Wochen. Was würden Begrenzungen bedeuten?

Der Familiennachzug ist rechtlich klar geregelt. Es geht um Kernfamilien, keine Sippschaft von 100 Menschen. Die Bestimmungen sind klar: Man muss Wohnraum und Sprachkenntnisse nachweisen, der Lebensunterhalt für den Nachzug muss bestritten werden können. Den Nachzug auszusetzen ist sehr gefährlich. Denn gerade dann machen sich Frauen und Kinder auf den gefährlichen Weg übers Mittelmeer. Allein in diesem Jahr sind bereits 3548 Menschen ertrunken, wobei die Dunkelziffer viel höher liegt.

Sigmar Gabriel hat kürzlich europaweite Kontingente ins Spiel gebracht. Kann man so illegale Reisewege austrocknen?

Kontingente sind ein sehr guter Vorschlag. Die europäische Zusammenarbeit ist allerdings ein Trauerspiel. Die steht auf dem Prüfstand. Sie hat den Friedensnobelpreis erhalten – jetzt muss sie zeigen, dass sie ihn verdient hat! Und richtig ist: Schleuserbanden müssen bekämpft werden. Den größten Auftrieb haben sie allerdings erst erhalten, als Europa die Grenzen geschlossen hat. Die Möglichkeit, auf legalem gesetzlichen Weg nach Europa zu kommen, ist ja schon seit vielen Jahren ausgesetzt.

Zentral ist die Bekämpfung von Fluchtursachen, wie zum Beispiel die geplante Partnerschaft mit der Region Dohuk im Nordirak. Welche Rolle spielt die Unterstützung der Nachbarstaaten?

Man muss betroffenen Ländern durch Entwicklungshilfe und internationale politische Bemühungen helfen. Dohuk ist ein guter Ansatz, denn mit Nachbarstaaten muss eng zusammengearbeitet werden. Die Türkei hat in ein paar Tagen mehr Flüchtlingen Zuflucht geboten als Europa über die gesamte Dauer des Konflikts, insgesamt sind es rund zwei Millionen. Im Libanon sind es 1,5 Millionen. In einem der ärmsten Länder der Welt, auf nur einem Drittel der Fläche Baden-Württembergs!

Die Terroranschläge auf ein russisches Flugzeug, in Beirut und vor allem Paris haben die letzten Wochen bestimmt. Wie sehen sie die Verbindung Flüchtlinge und Terroristen?

Man muss stark trennen zwischen Flüchtlingen und Terroristen, es darf auf keinen Fall vermengt werden. Terrorismus muss durch internationale Zusammenarbeit der Behörden bekämpft werden. Am allerwichtigsten ist jedoch, zu verhindern, dass junge Europäer zu Terroristen werden. Perspektivlosigkeit muss bekämpft werden, denn sie treibt junge Menschen in die Arme von Demagogen.

Was kann getan werden, um Perspektivlosigkeit vorzubeugen?

Integration vom Kindergarten an! Es ist ein soziales Problem, wenn bestimmte Gruppen hinsichtlich Bildung und Arbeit abfallen. Alle müssen sich mit unseren Werten identifizieren, eine Perspektive geboten bekommen und nicht ausgegrenzt werden. Der Schlüssel erfolgreicher Integration bleibt das schnelle Erlernen der deutschen Sprache.

Abschließend: Wie beurteilen Sie die Stimmung insgesamt in der Gesellschaft?

Die Stimmung ist immer noch gut – auch wenn sie sich verschlechtert hat. Es geht vor allem um eine sachliche Debatte – frei nach Epiktet: „Nicht die Tatsachen beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und Behauptungen über Tatsachen.“ Man muss sich informieren!

 

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Am 9. Juni ist es so weit: In unseren Ortschaften, Gemeinden, Städten und Landkreisen wird gewählt. Viele engagierte Mitglieder in der SPD Baden-Württemberg haben in den vergangenen Monaten um Kandidierende geworben und spannende und abwechslungsreiche Listen aufgestellt.

Spätestens jetzt werden die letzten organisatorischen Weichen für die Wahlkampfphase gestellt. Aber nicht nur für die Kommunalwahl, sondern auch für die Wahl zum Europäischen Parlament.

Auf die beiden heißen Wahlkampfphasen wollen wir euch gemeinsam mit der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser einstimmen. Dazu laden wir euch alle herzlich am Samstag, 20. April um 9 Uhr ins Palatin in Wiesloch ein. Dabei sein wird unser Landesvorsitzender Andreas Stoch MdL, unser baden-württembergischer Spitzenkandidat für die Europawahl René Repasi und weitere aktive Kommunal- und Europapolitiker:innen.

Wir gratulieren Jan Hambach als frisch gewähltem Bürgermeister in Freiberg am Neckar! Mit knapp 80 Prozent der Stimmen haben sich die Freiberger:innen eindeutig entschieden.

Repasi: "Möchte mich in den Dienst der Europa-SPD stellen"

Die SPD-Europaabgeordneten haben soeben in Straßburg René Repasi, SPD-Europaabgeordneter aus Baden-Württemberg, zur neuen Spitze ihrer Delegation bestimmt. Der 44-Jährige wird in dieser Funktion die politische Arbeit der SPD-Abgeordneten steuern, sie in Zusammenarbeit mit den anderen Delegationen der Fraktion vertreten und ständiger Gast im Bundesvorstand sowie im Präsidium der SPD sein. Jens Geier hatte den Vorsitz der Gruppe seit Anfang 2017 inne und ihn zum heutigen Tag übergeben.

Dr. Dorothea Kliche-Behnke: "Jeder Fortschritt muss weiterhin erkämpft und verteidigt werden."

"Seit über 100 Jahren begehen wir am 8. März weltweit den Internationalen Frauentag. Die SPD steht dabei ungebrochen an der Seite derer, die für die Gleichstellung der Geschlechter und die Beseitigung von Ungerechtigkeiten streiten", so Dr. Dorothea Kliche-Behnke, stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. "Nicht selten schien es, dass gesellschaftlicher Fortschritt und Verbesserungen in der Gleichstellung der Geschlechter keine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann sind. Der Aufstieg der AfD und das aufgeheizte gesellschaftliches Klima machen jedoch deutlich: Jeder Fortschritt muss erkämpft und verteidigt werden."

Wir leben in herausfordernden Zeiten. Im Alltag begegnen wir schwierigen und immer hitzigeren Debatten, sei es auf dem Elternabend, im Verein oder am Stammtisch. Wir wollen wieder mehr Zeit darauf verwenden, mit den Menschen zu sprechen, zu diskutieren und #mittendrin zu sein. Der Austausch verschiedener Meinungen ist gerade auch für die SPD ein wichtiger Grundsatz. Dies immer wieder auch zu sagen, gehört zu unserem Selbstverständnis als Bewahrer:innen der Demokratie.

Der beste Ort für diesen Austausch ist das alltägliche Leben. Sich da einzubringen, mitzudiskutieren und aus einer vermeintlichen Mindermeinung heraus zu überzeugen braucht Mut, Fakten und eine Idee, wie ich mir Gehör verschaffen kann. Dazu haben wir in den kommenden Wochen eine Vielzahl an Angeboten zusammengestellt, die unsere Mitglieder via Videokonferenz bequem von zu Hause aus wahrnehmen können.

Die SPD Baden-Württemberg hat zum politischen Aschermittwoch nach Ludwigsburg geladen. Bei zünftiger Musik und deftigem Essen folgten rund 500 begeisterte Gäste den angriffslustigen Aschermittwochsreden von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und SPD-Landeschef Andreas Stoch.

Stoch ging in seiner Rede hart mit der Landesregierung ins Gericht: "Grün-Schwarz hat dieses Land auf Verschleiß gefahren. Bei Kitas und Ganztag sind wir fast schon ein deutsches Entwicklungsland. Selbst in der Wirtschaft können wir nicht ewig vom alten Ruhm abbeißen. Der Automobilmarkt ist in gewaltigem Umbruch, die Transformation eine Riesenaufgabe. Andere Länder sorgen für eine aktive Industrie- und Strukturpolitik. Grün-Schwarz kommt nicht aus der Zuschauerrolle, auch nicht beim Fachkräftemangel."

13.02.2024 15:44
Kommunalwahl 2024.
Am 9. Juni finden in Baden-Württemberg die Kommunalwahlen statt. Gewählt werden die Mitglieder der Kreis-, Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie in der Region Stuttgart die Mitglieder der Regionalversammlung.

In unseren Städten, Gemeinden und Landkreisen schlägt die Herzkammer unserer Demokratie. Vor Ort lässt sich sozialdemokratische Politik konkret umsetzen - sei es bei der Kinderbetreuung, dem Umweltschutz oder der Verkehrspolitik. Aber auch für die Lösungen der großen Herausforderungen unserer Zeit wie dem Klimawandel, der zerfallenden Friedensordnung in Europa und dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaft ist die kommunale Ebene unerlässlich.

Das "Bündnis für Demokratie und Menschenrechte", ein breites überparteiliches und zivilgesellschaftliches Bündnis in Baden-Württemberg, kam in Stuttgart zu einem Auftakttreffen zusammen. Teilgenommen haben über 70 Vertreter:innen aus Organisationen, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Verbänden, Landkreisen, Städten und Gemeinden sowie staatlichen Institutionen, Vereinen und Parteien in Baden-Württemberg.

Beim Auftakttreffen verabschiedeten die Teilnehmenden eine gemeinsame Erklärung. "Indem wir als demokratische Mehrheit unsere Kräfte bündeln, stellen wir uns gemeinsam gegen jegliche Form von Extremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit und verteidigen die Grundwerte unserer Demokratie. In einem Schulterschluss aller Demokratinnen und Demokraten in Baden-Württemberg erheben wir gemeinsam unsere Stimme gegen Verfassungsfeinde", heißt es darin.

Wir laden euch herzlich ein zu unserem traditionellen Politischen Aschermittwoch! Dieser findet am 14. Februar 2024, 11 Uhr, im Forum am Schlosspark in Ludwigsburg (Stuttgarter Str. 33, 71638 Ludwigsburg) statt.

Wir freuen uns sehr, dass der Generalsekretär der SPD Kevin Kühnert uns in Ludwigsburg besucht! Mit dabei sind auch unser Vorsitzender Andreas Stoch, Generalsekretär Sascha Binder und unsere stellvertretende Vorsitzende Jasmina Hostert. Für den musikalischen Rahmen sorgt der Musikverein Ludwigsburg-Ossweil e.V.

Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch hat ein überparteiliches "Bündnis für Demokratie und Menschenrechte" für Baden-Württemberg angeregt. Alle demokratischen Parteien im Landtag, der DGB mit seinen acht Mitgliedsgewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Kommunalverbände, Sozialverbände, Kirchen, Diözesen und Religionsgemeinschaften sowie zahlreiche zivilgesellschaftliche Verbände und Vereine haben bereits ihre Mitwirkung zugesagt.